Perfect 8teen

Drastisch packte mich etwas am Arm, ich erschrak. Ich wurde gezogen, den langen düsteren Gang entlang. Wo bringen sie mich hin? Was haben sie mit mir vor? 

Der Gang ist dunkel, nur ein kleines Licht des Notausgangsschildes unterbricht die Dunkelheit. Es muss schon ziemlich spät sein, hier drinnen verliert man jegliches Zeitgefühl. Eben noch wollte ich mich von Joyce verabschieden, und nun befinde ich mich immer noch in diesem dunklen düsteren Gang. Plötzlich bleibt er stehen, er bleibt stehen und öffnet eine schwere Tür. Ist das etwa der Raum von dem Joyce manchmal erzählt hat? Ich werde grob hineingestoßen und die Tür schließt sich. Der Raum, in dem ich mich befinde, ist dunkel und kalt. Nur das Licht, welches aus 

dem Flur hineinstrahlt erhellt den Raum. 

Ich sitze schon seit Stunden hier. Nach einer Weile wird die Tür geöffnet. Hellen tritt hinein, sie sieht mich nur stumm an und reicht mir ein Glas mit meinen Tabletten und geht danach wieder. Diese Tabletten müssen wir jeden Abend nehmen, sogar die ganz Kleinen hier bekommen sie verabreicht. Ich weiß nicht genau, was sie bewirken, aber jeder hier nimmt sie ohne es wirklich zu hinterfragen. Hinterfragen, das tut hier komischerweise nie jemand. 

Ich nehme die Tabletten schon seit einigen Tagen nicht mehr, ich wollte wissen, was geschieht. Ich schlafe nicht mehr so fest und bekomme mit wie manchmal die Älteren, unter anderem auch Joyce, aus dem Schlafsaal hinausgetragen werden. Ich werde müde, ich schaffe es nicht mehr meine Augen offen zu halten. Ich versuche mich wach zu halten, doch irgendwann schlafe ich einfach ein. 

Der Morgen bricht an, wie jeden Tag in dieser grauenhaften Einrichtung. Die kalten Fliesen unter meinen nackten Füßen erinnern mich daran, dass ich keine Wahl habe, außer diesem tristen Alltag zu folgen. Ich werfe einen Blick in den Spiegel an der Wand und sehe das müde Gesicht einer Gefangenen, eingesperrt in einem Leben, das nicht ihr eigenes ist.

Als ich durch die schmalen Gänge des Internats schlurfe, fühle ich den stechenden Blick der Aufseher auf meinem Rücken. Sie beobachten uns immer, als ob wir wilde Tiere wären, die gezähmt werden müssen. Aber in Wirklichkeit sind wir nichts weiter als Ware, gezüchtet und trainiert, um den Bedürfnissen der Männer zu dienen, die unsere Schicksale in ihren Händen halten.

Der Tag vergeht wie im Zeitraffer, eine monotone Abfolge von Reinigungsarbeiten, Kochen und Nähen. Jede Bewegung ist choreografiert, jeder Moment genau geplant. Doch heute ist es anders. Heute ist mein achtzehnter Geburtstag und ich kann nicht länger ignorieren, was mit den Mädchen passiert, die diesen Ort verlassen.

In der Nacht, wenn die Dunkelheit das Internat umhüllt, werden sie weggeführt, weg von allem, von allem was sie kennen, von allem, das sie je besessen haben, weg von uns. Ich habe mich nie getraut, nachzufragen, nachzufragen wohin sie denn gehen, aber heute ist der Tag, an dem ich Antworten finden muss.

Ich warte geduldig, bis die letzten Lichter erlöschen und die Aufseher sich zurückziehen. Dann schleiche ich mich leise aus meinem Schlafsaal und mache mich auf den Weg zu dem Raum, in dem sie verschwinden. Der Raum, den ich fürchte, der Raum den ich zugleich verstehen muss.

Als ich die Tür erreiche, spüre ich meinen Herzschlag in meinen Ohren. Mit zitternden Händen öffne ich sie einen Spalt und riskiere einen Blick hinein. Was ich sehe, raubt mir den Atem.

Ein großer Saal erstreckt sich vor mir, erleuchtet von einem fahlen Licht. In der Mitte steht ein Mann, elegant gekleidet und mit einem hungrigen Ausdruck in den Augen. Um ihn herum sind die Mädchen, meine Mitbewohnerinnen, meine Freunde, in makellosen Kleidern und mit gesenkten Köpfen. Sie wirken wie Marionetten, bereit, nach den Wünschen ihres Meisters zu tanzen.

Mein Herz hämmert gegen meine Brust, als ich begreife, was hier geschieht. Dieser Mann wählt seine zukünftige Frau aus, und diejenige, die er erwählt, wird nie wieder zurückkehren. Sie wird sein Eigentum sein, seine Sklavin, seine Puppe.

Ein Schrei entfährt meiner Kehle, bevor ich ihn unterdrücken kann. Die Mädchen drehen sich erschrocken um, und der Mann fixiert mich mit seinen kalten Augen. In diesem Moment weiß ich, dass ich keine Wahl habe. Ich muss fliehen, bevor es zu spät ist, bevor auch ich in diesem Albtraum gefangen bin.

Ich drehe mich um und renne, renne so schnell ich kann, durch die endlosen Gänge des Internats, vorbei an den schlafenden Mädchen, vorbei an den Aufsehern, die mich jagend verfolgen. Doch ich bin schneller, denn ich habe etwas, wofür sie niemals trainiert wurden: Der Wille nach Freiheit, nicht mehr gefangen zu sein in diesen düsteren Wänden.

Endlich erreiche ich die schwere Tür, die mich von der Außenwelt trennt. Mit zitternden Händen öffne ich sie und tauche hinaus in die Nacht. Der kalte Wind schlägt mir ins Gesicht, aber ich spüre keine Angst mehr, nur Entschlossenheit.

Ich renne und renne, bis meine Beine nicht mehr können, bis ich weit genug weg bin von diesem Ort des Grauens. Und während ich unter dem Sternenhimmel zusammenbreche, spüre ich zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich lebe. Ich bin nicht länger eine Marionette in den Händen eines unsichtbaren Puppenspielers, nicht länger eine Gefangene der angeblich perfekten Gesellschaft. Ich bin Nicky.

… Perfect 8teen…

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